Do you smell something? Wer sich fragt, wie es in europäischen Großstädten wie London vor rund 300 Jahren gerochen hat, der wende sich am besten an den Historiker William Tullett. In seinem Buch „Smell in Eighteenth-Century England: A Social Sense“ widmet er sich den aufregenden Gerüchen Englands im 18. Jahrhundert. Wir fassen die interessantesten Fakten für Euch zusammen.

»Das Zeitalter von Tabak, Tee und Gewürzen«

In ganz Europa entwickelte sich um 1750 eine neue Konsumkultur, zu der auch Parfumhändler gehörten. Die koloniale Expansion brachte viele neue Güter – Tabak, Tee, Kaffee oder Gewürze – und damit auch neue Gerüche nach Europa. Es ist aber auch deshalb eine interessante Zeit, weil Wissenschaft und Medizin beginnen, Gerüche neu zu betrachten. Im 16. und 17. Jahrhundert glaubte man noch, dass Gerüche Hunger stillen, Krankheiten auslösen oder dem Körper Medizin zuführen könnten.

»Talgkerzen, Papier und Parfum«

Heute riechen unsere Städte dank Lüftungen, Klimaanlagen oder Sanitärprodukten trotz verschiedener Umgebungen sehr ähnlich. Im 18. Jahrhundert hatten die meisten Orte dagegen einen sehr charakteristischen Eigengeruch. Besuchte man im damaligen London ein Kaffeehaus, würde man neben Kaffee, Tee und Tabak auch stinkende Füße, Parfums, Zeitungspapier und Talgkerzen riechen. Auch jeder Stadtteil hatte einen individuellen Geruch – etwa nach stinkendem Fisch oder Resten vom Fleischhauer. Das Stadtzentrum, wo die Straßen besser gereinigt und viel öfter Parfum gebraucht wurde, hatte ebenfalls einen eigenen, unverwechselbaren Geruch. Zudem variierten die Gerüche nach Tageszeit und Saison; auch weil viele Produkte nur saisonal verfügbar waren. Die Geruchswelt war abwechslungsreicher als heute. Und sehr viele Gerüche waren plötzlich neu und ungewöhnlich – wie eben Tabak oder Parfums.

»Parfums mit Katzensekret«

Damals ging man mit Kräutern anders um, als wir es heutzutage tun. Rosmarin wurde im 17. Jahrhundert verbrannt, um die Menschen vor der Pest zu beschützen. Heute ist er vornehmlich in unserer Küche zu finden. Es gibt auch Beispiele für Aromen in Parfums, die heute nicht mehr populär sind. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Zibet einer der wichtigsten Gerüche der Parfumeure. Er stammt aus Drüsen am After der Zibetkatze. Die aus Afrika stammende Art wurde damals auch in England gehalten. Man nutzte einen eigenen Löffel, um den Zibet aus der Drüse zu kratzen – eine braune, schleimige Flüssigkeit, die auch vom Geruch an Fäkalien erinnert. Die Substanz verlängerte die Duftwirkung der Parfums. Selbst im Originalrezept von Chanel Nr. 5 war Zibet noch eine der Ingredienzien.

»Für Zeitreisende röche die Gegenwart ekelig«

Wenn nun ein Bewohner Londons aus dem 18. Jahrhundert in die Gegenwart reisen könnte, würde er die Gerüche mögen? William Tullett glaubt, dass dieser den Geruch des 21. Jahrhunderts genauso ekelhaft finden würde wie wir jenen des 18. Jahrhunderts – einfach deshalb, weil er anders ist. Eine Frage wäre, wie ein Zeitreisender auf die Luftverschmutzung großer Städte reagiert, die für den heute darin lebenden Menschen kaum wahrnehmbar ist. Interessant wäre, ob die Verschmutzung für ihn anders riechen würde als für uns.