Zunächst einmal die schlechten Nachrichten: von den im 19. Jahrhundert gegründeten Parfumhäuser überlebten nur Guerlain und Roger&Gallet. Beide sind inzwischen von Konzernen aufgekauft worden. Mode und Kosmetikkonzerne übernahmen den Parfummarkt fast vollständig, weil sie einfach präsenter waren in einer Zeit, in der Bilder und „das Image“ wichtiger wurden.
Und nun die gute Nachricht über eine wachsende Gegenbewegung – In den 60ern entstand die unabhängige Parfümerie mit sogenannten Nischenhäusern: Diptyque 1968, L’Artisan Parfumeur 1976, Annick Goutal 1980. Viele weitere folgten – wie 2009 Frau Tonis Parfum – und existieren noch heute.
»Der Duft ist der Star.«
Stilistisch stellen Nischenhäuser die Parfumkunst an sich und die verwendeten exquisiten Rohstoffe in den Fokus. Somit verweisen sie – auch mit den simplen, funktionalen Flakons – auf die Parfumerie des 19. Jahrhunderts. Die zumeist deskriptiven Namen greifen alte Vermaktungsstrategien auf. Bei Serge Lutens’ „Tubéreuse Criminelle“ weiß man wer der Star der Komposition ist: die Tuberose. Das verhilft dem Kunden auch in Zeiten großer Flut an Parfumhäusern und Düften eine Wahl zu treffen. Hier ist der Duft der Star. Und nicht z.B. das Modell, das die Kampagne „bespielt“.
»Authentizität steht im Fokus.«
Diese Art der Parfumkunst bedient den wachsenden Wunsch nach Authentizität. Statt auf kostspielige Werbung setzt man auf Pressearbeit und Vernetzung. Nicht Rentabilität soll im Vordergrund stehen, sondern Kreativität. Nischenparfum-Brands haben ihre ganz individuelle Ausrichtung und Publikum – für jeden ist etwas dabei: État Libre d’Orange zeigt erfrischenderweise Humor, Le Labo’s Werkstätten kreieren metropolitische Düfte, Frau Tonis Parfum wird mit „Affordable Luxury“ assoziiert – aber alle stehen sie für ein gewisses Savoir-faire.
»Nischenbrands sind mutiger.«
Parfumeur*innen und Autodidakten machen sich heutzutage unabhängig und gründen – wie Stefanie Hanssen mit Frau Tonis Parfum – selbst Nischenmarken. Man kann sich auf die weitere Entwicklung in diesem Segment freuen, denn der Kunde als Individuum sucht verstärkt nach immer neuen Stimulanzen und Ausdrucksformen, die sich wohltuend vom Mainstream der großen „Player „wie Coty oder Procter & Gamble absetzen.