Kurze Einstiegsfrage: was riecht eigentlich für Euch so richtig gut? Frische Wäsche? Ein Bad mit Rosenöl? Die Sauna in Lappland? Die Lieblingsblumen? Was auch immer wir als gut oder schlecht duftend empfinden, entspringt nicht alleine unserem feinen Geschmack, sondern wurde uns über die Jahre anerzogen. Grundsätzlich kommen wir Menschen nämlich weitgehend ohne Duftvorlieben auf die Welt und lernen die Gerüche erst bei unseren Verwandten kennen und lieben. Das, was wir positiv einspeichern, nehmen wir unser ganzes Leben lang positiv wahr.
»Benzin riecht nach Abenteuer.«
Aha. Und was ist mit Gerüchen wie Benzin? Wieso mögen ihn die einen, und hassen ihn die anderen? Eine mögliche Erklärung ist folgende: Für viele Jungs gehörte es zu den schönsten Kindheitserinnerungen mit dem Vater zur Tankstelle zu fahren oder in der Werkstatt das erste Traumauto zu entdecken. Orte, die schon immer ein bisschen nach Benzin, Dreck und Öl gerochen haben, wurden somit positiv verknüpft. Benzin riecht – übrigens auch für viele Frauen – nach Abenteuer, nach Urlaub und dem Gezanke der Eltern, die sich nicht auf die richtige Strecke nach Holland einigen konnten.
Auch wir bei Frau Tonis staunten vor ein paar Jahren nicht schlecht, als uns Volkswagen mit dem Anliegen betraute, wir mögen zum Verkaufsstart des e-Golf bitte ein Parfum entwickeln, das nach Benzin riecht.
»1970 gab es Parfums mit Urinnoten.«
Anfragen wie diese sind in unserer auf Sauberkeit getrimmten Welt selten geworden. Der parfümierte Mann aus der Werbung trägt seine Brust glattrasiert und springt heute lieber in einen Pool denn in voller Montur auf ein Pferd. In den Siebzigern war das noch anders. Da galt der Mann aus der Werbung als Abenteurer. Er lebte alleine in der Wüste, kletterte auf Berge oder schnitzte im Wald.
Parfum vermittelte damals das erotische Potenzial einer Versuchung. Ja, es gab sogar Düfte, in denen leichte Urinnoten vorkamen. Etwas, das heute auf dem Parfummarkt undenkbar scheint. Mann und Frau sollen immer frisch geduscht wirken, sich nackt, aber ohne Körperflüssigkeiten über Laken räkeln und das liebliche Parfum, anstelle der eigenen Persönlichkeit tragen.
»Heute stehen die Zeichen auf Reinheit.«
Dabei haben Menschen früher durchaus intensiv gerochen. Erst das Parfum hat es einer gewissen Schicht ermöglicht, ihren unangenehmen Geruch zu übertünchen. Der künstliche Duft? Wurde zum Markenzeichen. Etwas Besonderes, mit dem man sich vom »Rest der Welt« abgrenzen konnte.
Heute stehen die Zeichen auf Reinheit. Dabei mangelt es uns doch wahrlich nicht an Hygiene. Wäre es da nicht Zeit, wieder zum Animalischen, zu Schweiß und Schmutz zurückzukehren und sich etwas zu trauen, das entgegen dem Mainstream steht? Wäre nicht genau das ein Fünkchen Realness in einer Welt voller Maskeraden?
Ob beim Sport, während der Arbeit, beim Feiern oder beim Sex: Es gibt schließlich keinen Moment in unserem Leben, in dem wir nach nichts riechen. Warum sollten wir dann so tun, als ob? Wir müssen lernen, unsere eigenen, „unangenehmen“ Gerüche nicht weiter zu verspotten. In Papua-Neuguinea ist der Geruch von Schweiß zum Beispiel noch nicht negativ besetzt – er wird sogar als Informationsquelle benutzt.
»Für VW entwickelten wir »Mémoire de Pētrole«.«
Noch einmal kurz zurück zu Volkswagen. Einen raffinierten Duft herzustellen, der die geheimnisvolle Aura des Benzins und der Automobilisten widerspiegeln sollte, war definitiv das Spannendste und Kurioseste, was mein Frau Tonis Team und ich jemals kreiert haben. 2014 haben wir »Mémoire de Pētrole« erschaffen. Ein Eau de Parfum, das im ersten Peak tatsächlich nach Benzin duftete, sich dann in einen grünen Duft mit Noten von Veilchenblättern und Gräsern verändert hat.
Diese Erfahrung hat uns darin bestärkt, unserem Gespür für unkonventionelle Gerüche und Aromen zu vertrauen. Nicht alles, das irgendwie ordinär wirken könnte, als Idee abzuschmettern. Beim Geruch von alten Büchern, verwelkten Blumen und vertrockneten Teebeuteln zücken wir deshalb nicht den Putzlappen – sondern unsere Notizbücher.